Fragen über Fragen
In einer Region wie Vorarlberg sind wir beinahe ausschließlich umgeben von hochwertiger Architektur, hervorragendem
Holzbau und exzellent ausgeführtem Handwerk. Durch Generationenübergreifende makellose Arbeiten entstanden
bis weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte und renommierte Bauten und Gebäude. Hochwertigste Materialien,
durchoptimiert, perfekt konstruiert, optimal inszeniert, und heute leider kaum mehr erschwinglich.
Was bedeutet das für die Zukunft unseres Holzbaus, unserer Architektur und unseres überlieferten Wissens?
Können wir diese Prozesse und diese Arten des Bauens ...auch in Zukunft noch so weiterführen?
Und wenn nein, wie gehen wir nun mit dieser Situation um?
Ist es nicht an der Zeit, anders zu denken und neue Wege einzuschlagen?
Wir leben in einer Zeit, in der vieles im besten Fall neu sein soll, glatt, bestmöglich astfrei, unsichtbar konstruiert, naht- und
fugenlos und optimalerweise ohne jeden Makel. Das ist ein Luxus, den sich der „Otto Normalverbraucher“ in Zukunft
nicht mehr leisten kann und eventuell auch nicht mehr will. Doch neben dem finanziellen Aspekt stellt sich auch die
Frage: Wieso ist dies überhaupt größtenteils der Wunsch?
Wie ist diese Sehnsucht überhaupt entstanden?
Warum empfinden die meisten Personen genau diese Art des Bauens als schön und dabei auch als notwendig?
Gibt es nicht auch noch eine andere Art von Schönheit?
Und wenn ja, wie schaffen wir es, dieser Schönheit auch wieder eine Chance zu geben?
Was passiert, wenn etwas wieder mehr Ecken und Kanten hat und wenn ein scheinbarer Makel kein Makel mehr ist,
sondern auf einmal zu einem Mehrwert wird?
Was, wenn wir das Neue und das Alte wieder lernen, zu kombinieren und beidem einen gleichgroßen Stellenwert geben?
Fragen über Fragen!
Es gibt wunderschöne Methoden, das Alte und das Neue zu verbinden. Es ist spannend, Konstruktionen und benötigte
Installationen wieder sichtbar werden zu lassen und bewusst darauf hinzuweisen, sie genau nicht zu verstecken.
Durch das Festhalten, das Ausprobieren und Aufarbeiten von genau solchen Details, durch das Erzählen darüber und
durch das Teilen fällt auf, dass die Resonanz durchwegs positiv ist, aber im Alltag meistens einfach (noch) nicht als
Alternative gesehen wird. Woran liegt das genau?
Liegt es eventuell gar nicht daran, dass etwas nicht als schön erachtet wird, sondern daran, dass auf gewisse Dinge
wieder aufmerksam gemacht werden muss, um sie wiederzusehen und sich auch wieder wertzuschätzen? Haben wir
einfach zu lange Zeit durch Magazine und publizierte Objekte nur diese Art des Bauens zu sehen bekommen? Ist es
vielleicht einfach eine Art des Sensibilisierens oder auch der Bewusstseinsbildung, die uns als junge Architekt*innen
und Handwerker*innen in Zukunft fordert? Und kann dies nicht auch eine großartige Chance für unseren Beruf sein?
Die Zusammenarbeit mit offenen Bauherrschaften, die andere Art des Planens, das enge Zusammenarbeiten zwischen
Architektur und Handwerk, das ständige Forschen und Entdecken, der Fokus auf den Prozess und die Ungewissheit, was
genau passieren wird, stellt unsere gewohnten linearen Arbeitsmethoden auf den Kopf und gibt uns die Möglichkeit, zu
wachsen und uns weiterzuentwickeln.
Gerade heute, wo der Leerstand hoch, der Baugrund teuer, die Finanzierung schwierig und die Bauherrschaft meist
offen ist für neue Ansätze, haben wir alle die Möglichkeit, anders zu sein. Anders in der Arbeitsweise, anders in der
Architektursprache und anders in der Herangehensweise.
Ich bin optimistisch, dass sich viele (alte) Türen öffnen werden und dass wir jetzt mutig sein müssen, um die Zukunft mit
alternativen Methoden und Denkweisen nachhaltig zu gestalten.
Bild: Dominic Kummer