Auf der Höhe der Zeit
Gedanken zur Bau- und Materialwende in Vorarlberg
Der Gebäudesektor ist einer der größten CO²-Emittenten unserer Zeit. Mit der Herstellung und dem Betrieb unserer gebauten Umwelt ist er für fast 40 % der klimaschädlichen Treibhausgase verantwortlich.
In den letzten Jahrzenten lag der ökologische Fokus in Architektur und Bauwesen zumeist auf der Energieeffizienz in der Nutzungsphase. Das Passivhaus wurde erfunden, die Dämmstärken erhöht und weitere Energiesparmaßnahmen gesucht, gefunden und nicht selten gleich wieder durch Mehrverbrauch an anderer Stelle zunichte gemacht.
Der Ressourcen-Einsatz für Herstellung, Transport und Entsorgung unserer Baustoffe blieb häufig unbeachtet – jedenfalls in der Masse der Bauproduktion, die auch weiterhin große Mengen energieintensiver und untrennbarer Baustoffe verbaut. So entstehen inzwischen rund 50% der grauen Emissionen vor dem Einzug in ein neues Gebäude.
Seit einiger Zeit erhält nun auch das Davor (Herstellung) und das Danach (Abbruch oder Sanierung) mehr Aufmerksamkeit. Aspekte der Kreislaufwirtschaft werden in der Baubranche intensiv diskutiert. Re-use und optimiertes Recycling werden vorangetrieben und auch natürliche, verrottbare Baustoffe gewinnen an Bedeutung. Vor allem aber nimmt die Erkenntnis zu, dass Suffizienz und eine bessere Bestandsnutzung – im Bestfall bauen wir nur noch um und nur noch wenig bis gar nichts neu – ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen müssen.
Die Bau- und Materialwende ist schon lange im Gang. Die Anstrengungen und Erfahrungen, die in Vorarlberg im Holzbau schon seit vielen Jahren gemacht werden, sind ein wichtiger Teil davon und hätten nun die Chance von noch mehr Auftraggebern und Partnern gesehen und auch angefragt zu werden, wäre da nicht die aktuelle wirtschaftliche Lage. Lassen wir uns nicht verunsichern. Ökologische Baustoffe bekommen nun endlich die verdiente Aufmerksamkeit am Markt. Wenn nun auch die Bauaufgaben selbst, ihr Flächenbedarf und der Faktor des Rückbaus und der Rezyklierung mit der gleichen Sensibilität angegangen werden, steht es gut für die Bauwende in Vorarlberg.
Mag. Dr. Verena Konrad
Direktorin vai Vorarlberger Architektur Institut
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